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"Live fast, love hard, die young"

Bethany • Sept. 28, 2019
Claret de la Touche: höhere Tochter aus französischem Adel, Klosterfrau in einem beschaulichen Orden und das alles beim Übergang des verklemmten 19. Jahrhunderts in die Gründerzeit des frühen 20. Jahrhunderts – da drängt sich nicht unbedingt das Rock ´n Roller-Motto als Lebensbeschreibung auf. Dennoch beschreibt „Live fast, love hard, die young“ den Weg von Claret de la Touche ungewöhnlich treffend.

Trotz der zeitlichen Entfernung präsentiert sich der Weg von Claret de la Touche nämlich erstaunlich aktuell. Eine mögliche Erklärung für diese Aktualität liefert André Frossard: Claret „ist eine wirkliche Mystikerin, und wie diese alle spricht sie von Gott auf die entschiedenste Weise, die es gibt: aus Erfahrung.“

Folgen wir der Spur dieser Erfahrungen und entdecken wir, wohin sie Claret de la Touche führen.

Live fast: die Erfahrung der Rastlosigkeit

Bis zu ihrem Eintritt ins Kloster führt Claret de la Touche das abwechslungsreiche, glänzende Gesellschaftsleben einer jungen Frau aus gutem Hause. Theater, Feste, Tanzvergnügen, Reisen, Heiratsangebote – dazwischen ernsthafte Erschütterungen durch eine schwere Krankheit und eine aufrichtige, abrupt endende Liebesbeziehung zu einem jungen Offizier.

Dieses prall gefüllte Welt-Leben tauscht Claret de la Touche mit 22 Jahren gegen ein ebenfalls prall gefülltes Kloster-Leben. Statt Vergnügungen gehören ab jetzt Arbeit, gemeinsamen Gebetszeiten, regelmäßigen Exerzitien zu ihrem Alltag. Schon bald gesellen sich dazu intensive Erfahrungen der lebendigen Nähe Jesu im Wechsel mit quälenden Zweifeln und Versuchungen. Durchgehend bereitet ihr die von Geburt an geschwächte Konstitution vielfältige körperliche und seelische Beschwerden. Diese werden durch eine unerbittliche Ordensregel noch verschärft.

Claret de la Touche empfindet ihr Leben als Ordensfrau alles andere als beschaulich: „Alle Leiden des Körpers, des Herzens und der Seele sollten über mich kommen und mich mit ihren Wogen bedrängen.“ Gleichzeitig erfährt sie in diesem Sturm eine geheimnisvolle Kraft: „Die Unendliche Liebe sollte, wie ein Leuchtturm, mich zum Hafen geleiten.“

Den Mitschwestern bleibt das besondere Charisma von Claret de la Touche nicht verborgen. Nachdem sie noch im Noviziat als leichtlebige Komödiantin mißtrauisch beäugt wurde, macht sie als Profeß-Schwester rasch eine „Kloster-Karriere“: Assistentin der Novizenmeisterin, Leiterin des Noviziats, Oberin.

Die „Karriere“ von Claret de la Touche entwickelt sich unter dramatischen äußeren Umständen: Aufhebung des Klosters und Ausweisung des Ordens aus Frankreich, Suche nach einer Niederlassung in Italien, drei Übersiedlungen der Gemeinschaft in Oberitalien innerhalb von sechs Jahren, erneute Suche nach einer Niederlassung in Deutschland und in der Schweiz. Die Umstände zwingen Claret de la Touche zu beschwerlichen Reisen. Sieben Monate verbringt sie zudem in Rom, wo sie am 5.2.1914 Papst Pius X. in einer Privataudienz das Werk der Unendlichen Liebe vorstellen kann.

Nach der Rückkehr aus Rom eröffnet sich unerwartet die Möglichkeit der Niederlassung in Vische, im „Kleinen Haus“ (das Claret de la Touche bereits lange zuvor in einem inneren Bild geschaut hatte).

Die letzten Monate vor ihrem Tod sind geprägt durch die immer wieder durchkreuzten Versuche der Neugründung eines Ordens im Dienste der Unendlichen Liebe. Am 19.2.1914 wird endlich die Vollmacht zur Neugründung erteilt. Bereits im März werden in Rom Schritte gegen die Gründung unternommen; der Ausgang des Verfahrens ist ungewiß.

In dieser ungeklärten Situation stirbt Claret de la Touche am 14. Mai 1914 – verzehrt vom rastlosen und unermüdlichen Einsatz für das Werk der Unendlichen Liebe. 

Love hard: die Erfahrung der Unendlichen Liebe

Das „schnelle Leben“ der Claret de la Touche ist randvoll gefüllt mit Liebe: zunächst mit der Liebe zur Welt, mit der Liebe zu einem Mann, schließlich mit der Liebe Gottes. Nur dieser Unendlichen Liebe gibt sich Claret de la Touche bedingungslos und vollkommen hin.

In ihrer Selbstbiographie faßt sie ihre Hingabe an die Unendliche Liebe zusammen: „Ich habe geglaubt an die Liebe, die tröstet, die stützt und beglückt. Ich habe geglaubt an die Liebe, die zerbricht, die zermalmt und entäußert.“

Ihre Begegnungen mit der Unendlichen Liebe schreibt sie auf Empfehlung ihrer geistlichen Begleiter auf. Das „Büchlein von der Unendlichen Liebe“ bleibt leider unvollendet. Es enthält kostbare Erfahrungen einer Frau mit gesundem Menschenverstand und mütterlichem Empfinden. Diese Frau steht als Führungsperson mit beiden Beinen auf der Erde und verweilt gleichzeitig als Beterin am Herzen Jesu. Sie läßt sich erfüllen von der Unendlichen Liebe und hat nur einen Wunsch: diese Fülle weiterzugeben.

Claret de la Touche erkennt immer tiefer, daß die Priester in einer besonderen Weise in dieses Strömen der Unendlichen Liebe aus dem Herzen Jesu eingebunden sind. Sie sind eine Erfindung der Unendlichen Liebe, berufen zum Dienst an den Menschen. Die Priester sollen die Unendliche Liebe aus dem Herzen Jesu empfangen und als „Kanäle der Unendlichen Liebe“ die Welt durch diese Liebe erneuern und erwärmen.

Diese Erfahrungen schreibt Claret de la Touche seit 1903 in einem Buch nieder: „Herz Jesu und Priestertum“. Die Veröffentlichung des Buches verzögert sich immer wieder. Der Erstdruck in italienischer Sprache erscheint erst 1919, die erste deutsche Ausgabe 1930. Das Buch wird in die meisten europäischen Sprachen übersetzt, einschließlich Polnisch und Ukrainisch. Außerdem existieren chinesische, arabische, armenische, Übersetzungen.

Claret de la Touche selbst nennt das Buch immer nur „sein Büchlein“: „Der göttliche Meister nimmt sich wirklich selbst des Büchleins an, und dies mit Recht: Er ist ja dessen Urheber.“

Die young: die Erfahrung des Weizenkorns

In der Rock ´n Roll-Szene scheint ein früher Tod nicht unüblich. Zum „Club 27“ zählen u. a. Janis Joplin, Jimi Hendrix, Jim Morrison, Brian Jones, Kurt Cobain, Amy Winehouse. Sie alle starben sehr jung, mit 27 Jahren. Was diese jung Verstorbenen eint: das frühe tödliche Ende einer steilen Karriere scheint eine Garantie für „Unsterblichkeit“. Die Mitglieder im „Club 27“ wurden zu Legenden.

Auch Claret de la Touche stirbt relativ jung (mit 47 Jahren). Auch sie durchläuft eine steile „Karriere“. Es ist jedoch eine spirituelle „Karriere“, ein mystischer Weg des Schauens und Opferns.

Claret de la Touche stirbt zudem an einer kritischen Kreuzung dieses Weges: die praktische Konsequenz ihrer Erfahrungen, die Gründung im Dienste der Unendlichen Liebe, ist erst drei Monate alt und bereits durch die Interventionen von Gegnern extrem gefährdet.

Nach ihrem Tod glauben sich die Gegner ermächtigt, das Sterben von Claret de la Touche als ein sicheres Zeichen zu deuten, daß die Gründung nicht gottgefällig sei. Vier Jahre lang gefährden immer neue Anfeindungen das Fortbestehen der Gründung. Erst 1918 wird das Kloster „Bethanien vom Heiligsten Herzen“ in Vische endgültig bestätigt.

Bis heute hat sich das durch Claret de la Touche angestoßene Werk der Unendlichen Liebe in vier Gliederungen entfaltet:   

1. Das Kloster „Bethanien vom Heiligsten Herzen“  in Vische (mit kleinen Niederlassungen in Italien, Argentinien, Kolumbien) ist die Wurzel, die Nahrung im Verborgenen sammelt und alles ernährt.

2. Der „Priesterbund der Freunde des heiligsten Herzens Jesu“ ist der Stamm, der alles hält und trägt und auf den alles hinzielt.

3. Die „Missionarinnen der Unendlichen Liebe“ (ein Säkularinstitut mit Gruppen in Italien, Polen, Slowenien, Schweiz, Argentinien, Kolumbien, Madagaskar, Togo) und

4. die „Freunde von Bethanien“ (eine Bewegung rund um die Welt) empfangen als Zweige Leben und Antrieb aus dem Stamm – geben ihrerseits dem Stamm wichtige Hilfe, wie Sauerstoff, zurück.

Der Tod hat Claret de la Touche nicht im weltlichen Sinne „unsterblich“ gemacht. Er verweist vielmehr auf das Geheimnis vom Weizenkorn, das sterben muß um reiche Frucht zu bringen.
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