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Glaube und Gesichtserkennung

Bethany • Dez. 11, 2019
Jeder Satz ist wichtig im aktuellen Weihnachts-Rundbrief 2019 an die Freunde von Bethanien (aka Diener und Dienerinnen der Unendlichen Liebe). Deshalb findest Du den Rundbrief ab heute nicht nur im Portfolio. Er folgt auch hier im Original und in voller Länge. Damit keiner der Gedankengänge zum Thema "Glaube und Gesichtserkennung" verloren geht...
 
Nr, 146  Advent 2019

Rundbrief für die Diener und Dienerinnen der Unendlichen Liebe zum Hochfest der Geburt des Herrn 2019

Liebe Diener und Dienerinnen im Werk der Unendlichen Liebe,

im Herbst diesen Jahres waren wir mit unserer Pfarrgemeinde wieder auf Pilgerfahrt. Heuer war Lourdes als Hauptziel wieder dran – aus gutem Grund:  Vor 175 Jahren wurde die hl. Bernadette Soubirous, der die Madonna erschienen war, geboren, und vor 140 Jahren starb sie; ebenso war es der 125. Geburtstag des großen hl. Marienverehrers P. Maximilian Kolbe. In Lourdes hatte sich einiges verändert: Der ehemals „Kleine“ Kreuzweg, gut erreichbar für die Kranken, war durch gewaltige, gigantisch plastisch gearbeitete weiße  Stein-Skulpturen ersetzt und um drei „Auferstehungsstationen“ ergänzt worden; ebenso faszinierende wie ausdrucksstarke, ja geradezu sprechende und regelrecht fesselnde Darstellungen; das war unser “Einstieg“ in Lourdes. Und der sollte Folgen haben: Bei einem der obligatorischen Gänge durch die Geschäfte der Stadt, fast möchte ich sagen, gefügt und geführt,  fesselte mich eine, jene (Sie können sie auf dem Titelblatt sehen und in Ruhe betrachten!) von einem Künstler gefertigte und in Gipsmasse gegossene dreidimensionale Darstellung des Antlitzes Christi: Nach dem Turiner Grabtuch bzw. dem Volto Santo von Manoppello gefertigt ein „Negativbild“, d.h. ausgehöhlt wie eine Form. Aber - wenn man es betrachtet und wirken lässt, dann nimmt das Gesicht Christi nicht nur plastische Züge an, sondern – faszinierend, wie bei manchen alten Mosaikbildern und den o.g. Tuchreliquien – wird man von jedem Betrachtungspunkte vom Blick Christi angezogen und getroffen. Und damit stand auch mein, unser Betrachtungsthema zu Weihnachten fest: Dass Gott in Jesus Christus nicht nur Mensch geworden ist, sondern ein Gesicht bekommen hat! In der Tat, eine Herausforderung, die zur weihnachtlichen Glaubens-Frage wird!
Gott hat ein Gesicht bekommen, Gott hat ein menschliches Antlitz bekommen, Sich ein menschliches Antlitz zugelegt, angezogen!

Ja, an Weihnachten wollen wir alle zur Krippe hinzutreten und im Antlitz des Christkindes Gott selbst erkennen. Das setzt – vielleicht uns viel zu wenig bewusst – alle Glaubenskraft voraus. Ein Buchtitel lautete einmal: „Gott – ein Mensch“. Und genau darin liegt die Herausforderung, ja der Spagat, Weihnachten im Glauben feiern zu können: Das Knie zu beugen vor dem Kind in der Krippe und zu bekennen, dass es Gott selbst ist. Wie schwer das uns Menschen eigentlich fällt, macht uns vielleicht am besten die (nicht unbedingt adventlich-weihnachtliche) Erzählung vom „Goldenen Kalb“  deutlich: Das Volk hatte das Einwirken Gottes erfahren, erlebt. Aber sie können nicht an einen Gott glauben, der sich als ICH-BIN-DA geoffenbart und den sie als solchen erfahren haben. Als Mose auf dem Berg weilt, fordern sie einen sichtbaren, menschengemachten Gott. Das Volk macht sich seinen Gott selbst zurecht. Das erleben wir heute in der Welt so oft: Man emanzipiert sich vom Glauben an Gott, um sich neue Götzen zu machen. Manchmal auch in der Kirche. Papst Benedikt sei hier wieder zitiert, wenn er von der „Diktatur des Relativismus“ spricht, oder der amtierende Papst, dass der Glaube wie eine Erosion weggebrochen ist. Der Mensch sucht Götter zum Angreifen, um Gott begreifen zu wollen. Aber „so und nicht anders“ soll er sein. Das Bilderverbot des Dekaloges meint genau das: Dass der Mensch sich ein Bildnis von Gott macht. Also – nicht mehr „Lasst uns Menschen machen, als unser Abbild, uns ähnlich“ – sondern: „Lasst uns Gott/Götter machen, uns Menschen ähnlich, nach unserem Bild und Gleichnis“. Das ist durchaus auch ein Problem der Kirche unserer Tage!
So dass der Mensch Maß und Mitte von allem ist – letztlich ohne Gott.

Und dann kommt noch dazu, dass ein so gemachter Gott „weltfern“ und lebensfremd ist. Das ist dem Menschen ja recht: An einen Gott zu glauben, der fernab im Himmel wohnt und mit uns Menschen nichts zu tun hat, passt ins Gottesbild des Menschen – anstatt den Gott der Bibel, der sich auf uns Menschen einlässt, der es darauf anlegt und abzielt, mit uns Menschen in Berührung zu kommen, uns zu  begegnen, und mit uns in Beziehung zu treten. Das gesamte Alte Testament schildert ihn so: Einen, der mit uns Menschen gehen will, der sich – zu Zeiten Davids – nicht in ein Haus aus Stein einmauern lassen will, sondern vielmehr in Zelten mit Seinem Volk umherziehen will. In der Vision sagt Er das ja auch: Nicht du sollst Mir ein Haus bauen, sondern Ich werde dir eines errichten!

Gott will nicht nur da sein (JAHWE), sondern ein Gott mit uns (IMMANUEL). Und das ist für uns Menschen – eigentlich unbegreiflich, es sei denn, wir bringen die Haltung mit, uns von Ihm ergreifen zu lassen.
Und hier schlägt sich nun der große Bogen zum Christkind in der Krippe. Viele kennen ja die Erfahrung, was ein neugeborenen Kind in seiner Ohnmacht alles vermag: Auf einmal werden alte Menschen jung, zerstrittene werden zusammengeführt, es ist ein Wunder, was die Geburt eines Kinder bewirkt. Wie oft fangen die Augen von Menschen an zu leuchten, wenn sie vom Blick eines Kindes getroffen werden. Ich nenne gern Beispiele von Kindern in der Schule, die einem regelrecht die Begeisterung für den Glauben zurückgeben.
Das alles feiern wir an Weihnachten: Gott wird Mensch, einer von uns, um uns auf Augenhöhe zu begegnen – und uns ebenso gleichzeitig herauszufordern, an diese „unbegreifliche“ Nähe Gottes zu glauben, dass wir uns nicht Götter machen „brauchen“, sondern im Kind in der Krippe alles finden: Gott – mitten unter uns! Darum wird Gott Mensch, um jedem gleich zu sein und von Seinem Lebensangebot keinen auszuschließen: Nicht die Hirten am Rande der Gesellschaft auf Bethlehems Fluren, aber ebenso nicht die Weisen und Machthaber aus fernen Ländern, wie auch Sein Volk, das Ihn herbeisehnt und erwartet im greisen Simeon und der Prophetin Hanna. Für alle Welt kommt Gott zur Welt, um so ihr Antlitz zu erneuern. Gott hat ein Gesicht bekommen, Er ist Mensch geworden!

Aber - mit dem Gesicht eines Menschen „verhält es sich so“: Wir alle wissen es aus unserer alltäglichen Erfahrung, dass man am Gesicht eines Menschen nicht nur seine momentane Stimmung, sondern regelrecht seine ganze Lebensgeschichte ablesen kann. Ob ich bedrückt bin und Kummer habe, ob es mir „nicht gut“ geht, ob mir was „über die Leber gelaufen“ ist, oder ob ich strahle du diese Stimmung auch ausstrahle. Erst recht, Menschen im Alter, mit reicher Lebensgeschichte, die sich im Antlitz eines Menschen widerspiegelt, Erfahrung von Sorgen und Leid, aber auch von Hoffnung und Zuversicht. Gott hat ein Gesicht bekommen. Das Antlitz des Jesuskindes nimmt das alles in sich auf und lässt uns dort alles ablegen, abladen – weil uns Sein Blick treffen möchte. Die Mosaikbilder alter Zeiten vermochten das ebenso – wie unser eingangs beschriebenes plastisches Bild, das „aus sich heraus“ tritt, um uns ganz konkret zu treffen.
Wollen wir das? Oder – weichen wir Seinem Anblick lieber aus, können und wollen uns nicht in die Augen blicken lassen, weil wir spüren und wissen, dass Er unser Herz trifft - und es kennt!“?

Wenn Gott ein Gesicht bekommen hat, ein menschliches Antlitz – dann legt Er es aber ebenso darauf an, mit uns Menschen zu kommunizieren, in Kommunikation zu treten. Nicht nur durch den stummen Ausdruck – den wir beschrieben haben, sondern erst recht durch Seine Sprache. Wie sehnlichst erwarten Eltern das erste Wort ihres Kindes als Ausdruck von Beziehung! Gott will zu uns sprechen in Christus, aber Er will auch mit uns sprechen, im Gebet, in der Zwiesprache mit Ihm. Und ER will uns so aus mancher Funkstille und Sprachlosigkeit Gott und Mensch gegenüber herausreißen. Gerade an Weihnachten bringen wir das zum Ausdruck, wenn wir an Menschen denken und mit ihnen in Kontakt treten, zu denen wir vielleicht das ganze Jahr über keine Kontakt haben, oder wenn Menschen zusammenrücken, in der Familie, im Freundeskreis. Ein Stück weit rückt unsere Welt in Menschen näher zusammen. Aber – hören wir das nicht im Hochamt an Weihnachten: Und das Wort ist Fleisch geworden: Gottes Wort verhallt nicht nebulös oder verklingt im luftleeren Raum. Gottes Wort wird so konkret, dass es in geschöpfliche Räume kommt, Mensch wird, ein Gesicht bekommt, ein Antlitz annimmt – und dass Gott darin Sich selbst ausspricht!

Gott spricht Sich aus – als Mensch, zu uns Menschen, um unter uns zu wohnen. Welchen Weg weist Er uns darin. Wie oft fällt es uns nicht nur schwer, dem anderen in die Augen zu schauen, wie Adam am Abend des Sündenfalls, sondern auch  uns auszusprechen. Wie oft bleiben wir in allen Worten nichtssagend an der Oberfläche. Sich aussprechen, das hat auch mit der Dimension von Versöhnung zu tun, Allen, die Ihn aufnehmen, gibt Er Macht, Kinder Gottes zu werden. Und – sich aussprechen, das hat mit Vertrauen zu tun sich einem anderen anvertrauen zu können. Ein alltägliches Beispiel: Wie oft ist es uns ernst, von echtem Interesse getragen, wenn wir einander fragen: „Wie geht es dir?“! Floskel, Chiffre – oder echt?

Gott hat ein Antlitz. Ja, Er ist eben kein abstraktes Wesen. Gott ist konkret, ganz konkret. Er wird Mensch mit einem menschlichen Antlitz, um uns in allen Lebenslagen mit Seinem Blick treffen und begleiten zu können, und um mit uns in Kommunikation zu treten. Aber diese Kommunikation „von Angesicht zu Angesicht“ geht bei Gott noch eine Stufe weiter: Seine Art der Kommunikation vollendet sich in der Kommunion. Wir reden ja im Alltag von einer „guten Kommunikation“, nicht nur, wenn „die Chemie stimmt“, sondern nach einem guten Gespräch, oder etwa wenn in einer Pfarrei Familie oder Firma der Informationsfluss funktioniert. Gottes Weise mit uns zu kommunizieren ist die Heilige Kommunion im eucharistischen Opfersakrament. Da will uns Gottes Wort, das Fleisch geworden ist, „von Angesicht zu Angesicht“ begegnen, um „ein Herz und eine Seele“ mit uns zu werden – ein Austausch der Liebe, wie wir sie manchmal bei einem alten Ehepaar beobachten können: Ohne Worte verstehen sie sich; sie sind ihres Dasein miteinander glücklich, froh, selig…

Weihnachten will diese eucharistische Kommunikation in der Kommunion uns neu vor Augen stellen und uns dazu einladen. Das Verweilen vor der Krippe, dem Christkind ins Angesicht zu schauen und sich im Herzen davon treffen, ansprechen zu lassen, das geht uns durch Mark und Bein und geht uns über in Fleisch und Blut. Die Krippe lädt uns erinnernd dazu ein. Das Geschehen von Bethlehem war der Augenblick, da Gott ein menschliches Antlitz annahm, um unter uns zu wohnen und uns von Angesicht zu Angesicht zu begegnen; ja es war die Erfüllung der  Verheißung des IMMANUEL – Gott ist mit uns. Und offenbart uns auch, wie Gott das damals gemeint hat und es eingelöst wissen wollte. Und schließlich ist die Eucharistie die Art und Weise, wie Gottes menschliches Antlitz „unter dem Schleier des Brotes“ verborgen real bei uns und bleibt, um uns zu begegnen und mit uns zu kommunizieren. Und das soll uns bei jedem Wort des Priesters beim Kommuniongang aufgehen: „Der Leib Christi!“ In der Heiligen Hostie blickt der Herrgott uns an.
Wie können und sollen wir damit umgehen, daraus leben? Vielleicht kann das lateinische Wort „Corpus Christi – Der Leib Christi!“ uns einen Brücke bauen: Wenn wir Ihm echt begegnet sind und sein Ich in uns aufgenommen haben, dann sollen und dürfen wir Ihn ver-körpern! Das heißt, aus der Eucharistie, ja eucharistisch leben. Könnte das eine Frage an uns sein, über Weihnachten hinaus, ob wir wirklich Ihn, Sein Antlitz ver-körpern in unserer Welt?

Und hier schließt sich der Bogen zum Werk: Ja, Gott bedarf unser, bedarf uns Menschen als Werk-Zeuge, Zeugen des Werkes der Erlösung, der Unendlichen Liebe zu sein in der Zeit – des Antlitzes Christi, das Seine Liebe verkörpert und sichtbar macht: Im Mit-Leid, im Hin-Sehen, im Aus-Strahlen in alle Dunkelheit von Welt und Zeit hinein. Das ist unser Auftrag und Weg!
Und hier braucht es eben den Dienst des Priesters, der in besonderer Weise das Antlitz Christi in der Eucharistie gegenwärtig setzen soll. Und es bedarf der Menschen, die sich als Werk-Zeuge, Werk-Zeugen der Unendlichen Liebe wissen und ihn dabei stützen, unterstützen, heute mehr denn je.
Ihnen allen innigsten Dank und Vergelt´s Gott dafür!

Lassen wir uns in der Heiligen Nacht neu vom Blick, vom Anblick und Ausdruck Seiner Liebe, Seines Antlitzes treffen – im Kind in der Krippe, im Hören und Beherzigen Seines Wortes, in der Kommunikation des Gebetes und in der Kommunion, dem Eins-Werden mit Ihm im Eucharistischen Opfersakrament.

Sehen wir Sein Antlitz in dieser Welt, wie es ein altes südländisches Weihnachtslied in seiner letzten Strophe sagt:
„Wo ein Kind die Augen auftut, blickt der Herrgott dich an!“

Ihnen allen gnadenreiche Tage der Erwartung im Advent,
der Erfüllung an Weihnachten,
und, von Seinem Blick getroffen und gestärkt, des Segens im Neuen Jahr!

Mit meinem priesterlichen Segen

Ihr  
   
Pfarrer Stefan Fillauer

St. Maria Goretti, Jahnstraße 19, 64584 Biebesheim am Rhein

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