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Arche oder Apokalypse?

Bethany • Aug. 07, 2019
Wissenschaftler nennen es Summer School, Nerds sprechen von Bar Camp, Graswurzel-Revolutionäre eher von Teach-in. Die jährlichen Treffen der Freunde von Bethanien bieten von alledem etwas: Symposium (mehr zum diesjährigen Keynote Speaker siehe unten), Open Space (Austausch), Sit-in (Anbetung)…

Für die Bethanien-Tage 2019 war Rod Dreher als Keynote Speaker eingeladen. Im Sinne der von Claret de la Touche geforderten „Einfachheit der Mittel“ nicht persönlich vor Ort, sondern in Gestalt seines Buches „Die Benedikt-Option“ (in der deutschen Übersetzung von Tobias Klein).

Das Buch war die gemeinsame Vorbereitungslektüre. Es sollte als Gedankenanstoß dienen für den Austausch über „Gott und die Welt“. Als Anstoß wohlgemerkt, als ein Stubser, durch den die Freunde von Bethanien in der Vergangenheit bereits häufig in völlig unerwartete Gefilde katapultiert worden sind. So auch in diesem Jahr…

Zunächst wurde Rod Drehers bemerkenswert kluge Analyse der aktuellen Glaubenssituation gewürdigt, vor allem sein Hinweis auf den „Moralistisch-Therapeutischen Deismus“ (MTD) als vorherrschende Pseudoreligion.

MTD – was ist das denn?

Rod Dreher folgt in seiner Darstellung des MTD den Soziologen Smith und Lundquist Denton.
„MTD umfasst fünf grundlegende Glaubenssätze:
Ein Gott existiert, der die Welt erschaffen hat und in Ordnung hält und über das Leben der Menschen auf der Erde wacht.
Gott will, dass die Menschen gut, freundlich und fair miteinander umgehen, wie es die Bibel und die meisten Weltreligionen lehren.
Das wesentliche Ziel des Lebens ist es, glücklich und mit sich selbst im Reinen zu sein.
Es ist nicht nötig, Gott einen besonders bedeutenden Platz im eigenen Leben einzuräumen, außer man braucht Ihn, um ein Problem zu lösen.
Gute Menschen kommen in den Himmel, wenn sie sterben.“

Der Autor bemerkt dazu: „MTD ist nicht ganz und gar falsch. Immerhin existiert Gott tatsächlich, und Er will wirklich, dass wir gut sind. Das Problem mit MTD, in seiner progressiven wie auch in seiner konservativen Variante ist, dass es darin hauptsächlich darum geht, das eigene Selbstwertgefühl und das subjektive Glücksgefühl zu steigern und gut mit anderen auszukommen… Obwohl oberflächlich christlich, ist MTD die natürliche Religion einer Kultur, die das Ego und materielles Wohlergehen anbetet.“

Rod Dreher meint schließlich mit Blick auf die Glaubenssituation in Amerika: „ Wir sind schon seit einiger Zeit eine MTD-Nation.“

Daraus zieht er folgende Schlüsse: „Es widerstrebt dem amerikanischen Charakter, Niederlagen einzugestehen oder Einschränkungen jedweder Art zu akzeptieren. Aber amerikanische Christen werden sich mit der grausamen Tatsache abfinden müssen, dass wir inmitten einer Kultur leben, aus deren Sicht das, woran wir glauben, immer weniger Sinn ergibt. Wir sprechen eine Sprache, die die Welt um uns herum entweder nicht hören kann oder die ihre Ohren beleidigt.
Könnte es sein, dass der beste Weg, die Flut zu bekämpfen, darin besteht … die Flut nicht zu bekämpfen? Aufzuhören, Sandsäcke aufzutürmen, und stattdessen eine Arche zu bauen, die Schutz bietet, bis das Wasser zurückweicht und wir unsere Füße wieder auf trockenes Land setzen können?“


Rod Dreher plädiert also angesichts der Glaubenskrise für die Option „Arche“.

Seine konkreten Anregungen für die Umsetzung dieser Option (er nennt sie „Benedikt-Option“) beziehen sich auf die Bereiche Politik, Kirche, kommunale Gemeinschaft, Bildung, Arbeit, Sexualität, Technologie – kurzum: auf alle hot topics mit Ausnahme von Klimawandel!

Getreu ihrem an Claret de la Touche geschulten Kontemplationsweg begaben sich die Freunde von Bethanien auf die „Arche“.

Eine zeitlang genossen sie die schützende Arche-Atmosphäre. Die von Rod Dreher präsentierten Bilder (einer antipolitischen Politik, einer neuen kirchlichen Disziplin, eines christlichen Dorfes, einer klassisch-christlichen Bildung, eines christlichen Beschäftigungsnetzwerkes, einer christlichen Gegenkultur und einer asketischen Praxis im Blick auf die modernen Technologien) wurden durchaus wohlwollend aufgenommen.

Doch im Laufe des Austauschs machte sich Unbehagen breit. Es schaukelte gewaltig, bis klar wurde: In Jesu Erzählungen und seinen Reich-Gottes Bildern taucht nirgends eine Arche auf. Und auch das Petrus-Schifflein wird eher als wendiges, kleines Boot auf stürmischer See dargestellt, denn als großer Kasten mit drei Stockwerken, der auf den Fluten emporsteigt.

Also wechselten die Freunde von Bethanien aus der Arche der Sintflut in das Petrus-Schifflein – und fanden sich unversehens in der Apokalypse wieder…

Fortsetzung folgt!
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